Reifen flicken, Schaltungen einstellen, Bremsbelege wechseln, Licht untersuchen, verbogene Kettenblätter wieder geradebiegen – zweimal pro Woche ist dies das Tagesgeschäft von Friedemann Enke. Seit 1,5 Jahren unterstützt er tatkräftig eine Fahrradwerkstatt in Berlin Buch, die der Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete am Lindenberger Weg 25 angegliedert ist.
Im Januar 2021 zog Friedemann Enke von Nürnberg nach Berlin, um seine Familie hier zu unterstützen. Zuvor hatte er 35 Jahre lang als Sozialpädagoge gearbeitet, wobei er sich selbst viel lieber als „Sozialarbeiter“ bezeichnet. „Ich bin ein Fummler und Bastler“, sagt er von sich. Mit seiner Werkzeugtasche, die ihn in seinem Berufsalltag tagtäglich begleitete, konnte er schon vielen Menschen immer wieder und bei unterschiedlichen Problemen helfen. Mit den Worten „hier bin ich und ich will was tun“ schlug er dann kurz nach seinem Umzug bei einer Vermittlungsstelle für Ehrenamtliche in Berlin Buch auf und fand zu einem Projekt, in dem seine Fertigkeiten dringend gebraucht wurden. Seitdem ist Friedemann Enke, der selbst begeisterter Fahrradfahrer ist und in den letzten beiden Dienstjahren in Nürnberg rund 5000 km geradelt ist, regelmäßig in der Fahrradwerkstatt der Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete am Lindenberger Weg anzutreffen.
Immer dienstagvormittags und donnerstagnachmittags unterstützt er zusammen mit seinen Teamkollegen die Bewohner:innen und andere Ratsuchende bei ihren Fahrradproblemen. Im Winter wird in geschlossenen Räumlichkeiten gewerkelt und im Sommer stehen dem Team der Innenhof der Unterkunft sowie ein Bauwagen als Lagerungsmöglichkeit für das Werkzeug zur Verfügung. Wenn ein reparaturbedürftiges Fahrrad in die Werkstatt gebracht wird, ist häufig das Improvisationstalent von Friedemann Enke gefragt: „Dann schaue ich halt, was ich an gebrauchten Teilen verwenden kann“, berichtet er.
Wenn, wie gerade kürzlich passiert, das Lager plötzlich voll mit 20 gespendeten Fahrrädern steht, ist ein ganz ähnliches Talent gefragt. „Aus drei mach zwei“ ist sein bewährtes Motto, um aus den Spenden fahrtüchtige Gefährte zu machen. Für die Verständigung mit den Unterkunfts-Bewohner:innen, die mit ihren Fahrradproblemen kommen, findet sich glücklicherweise immer ein Weg. Dass man, so Friedemann Enke, „sieht was Sache ist und es nicht um philosophische Überlegungen, sondern um handfeste Dinge geht“, macht die gemeinsame Arbeit an den Rädern zu einem Weg selbstverständlicher Verständigung.
Manchmal muss der Wahlberliner die Besucher:innen der Werkstatt aber leider auch enttäuschen: „Am Dienstag kam eine Frau mit Elektrorollstuhl und bat um Hilfe“, berichtet Friedemann Enke. Zwar hätte er auch ihr Gefährt gerne fahrtüchtig aus der Werkstatt entlassen, aber die komplexe Bauweise und Elektrik haben eine Reparatur in Eigenregie leider unmöglich gemacht. Auch von Nabenschaltungen, bei denen, wie er nur zu gut weiß, „tausend Teilchen“ an den richtigen Platz gebracht werden müssen, lässt der begeisterte Bastler lieber die Finger. Dennoch sind die Fälle, in denen er helfen kann, eindeutig in der Überzahl. Von freudigen Grüßen von Kindern in der S-Bahn, die ihn wiedererkennen, bis hin zu kleinen Gesten in den Werkstatträumen, sind es die offenen und ehrlichen Reaktionen, die er besonders zu schätzen weiß. Nicht selten seien die Menschen „hin und weg von Hilfe, die kostenlos ist“, berichtet er – selbst überzeugt von dieser Art der Hilfe.
Herzlichen Dank für das Engagement, Friedemann Enke!
IW- August 2023