Zweimal pro Woche macht sich Martin Bock auf den Weg zur Schule. Ungefähr 45 Minuten dauert seine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dann ist er an der Reinhold-Burger-Schule in Pankow angekommen. Hier unterstützt er ehrenamtlich Schüler:innen, die Teil einer Willkommensklasse sind – ein Konzept, von dem Martin Bock überzeugt ist.
In Willkommensklassen erhalten Schüler:innen, die gerade nach Deutschland gekommen sind und zumeist mit den Erfahrungen einer Flucht konfrontiert wurden, Unterricht gemäß ihrer Bedürfnisse. In etwas kleineren Klassen haben sie die Gelegenheit, erstmal mit der Sprache sowie den kulturellen Herausforderungen und alltäglichen Besonderheiten in Deutschland vertraut zu werden. Ist der Übergang geebnet, wechseln sie die Klasse und nehmen am Regelunterricht teil. „Wenn bei Schülern und Schülerinnen der Willkommensklassen ein besonderer sprachlicher Förderbedarf besteht, komme ich ins Spiel“, erklärt Martin Bock. An einem Schultag erhalten dann jeweils 4-5 Personen in Einzelbetreuung seine Unterstützung, z.B. bei den Herausforderungen der deutschen Grammatik.
Zuvor war Martin Bock beruflich im kaufmännischen Sektor tätig. Mit dem Lehrerberuf hatte er schon damals geliebäugelt, Gegenstimmen aus seinem Umfeld hielten ihn aber davon ab, diesen Weg einzuschlagen. Jetzt wo er im Ruhestand ist, kann er seine Begeisterung für Sprachen und deren Vermittlung teilen. Neben geeignetem Material braucht es bei seinem Unterricht vor allem Umsichtigkeit für die gegenwärtigen Lebenssituationen, die traumatischen Erlebnisse und die Hoffnungen ,seiner‘ Schüler:innen. „Ich versuche ihnen zu vermitteln, dass es auch hier eine Realität jenseits der paradiesischen Vorstellungen von einem Leben in Deutschland gibt, die man beachten sollte.“ Um etwaige Hürden möglichst gering zu halten und nicht an den Strukturen zu scheitern, sei der Spracherwerb besonders wichtig.
Frustration und Resignation, die bei diesem Prozess aufkommen können, weiß Martin Bock mit seiner eigenen Leidenschaft für Fremdsprachen zu begegnen. Im Selbststudium hat er beispielsweise Italienisch gelernt und festgestellt: „Sprache bedeutet für mich ein Teil von meinem Leben. Für mich war es eine wunderbare Erfahrung, mich in einem anderen Land zu bewegen, die Leute und ihre Kultur zu verstehen.“ Wenn man sich erstmal miteinander verständigen kann, rücken gemeinsame Schicksale in den Vordergrund und Unterschiede in den Hintergrund, so seine Beobachtung. „Hier bei uns wird gerne das Trennende betont. Durch Sprache kann ich das Verbindende, die Brücken zwischen mir und anderen Menschen finden.“
Sein Ehrenamt, an das er durch ein Beratungsgespräch in der FreiwilligenAgentur Pankow gelangt ist, gefällt ihm auch wegen seiner guten Einbindung an der Schule. Er hat Zugang zur Schul-Cloud und kann den Lehrplan einsehen. Sogar die vielen Ordner an Lehrmaterial, die sich inzwischen angesammelt haben, kann Martin Bock in Absprache mit seinen Kolleg:innen einbringen. „Man wird nicht zweitklassig behandelt, wir sind auf Augenhöhe“, betont er. Auch Dankbarkeit für sein ehrenamtliches Engagement findet den Weg zu ihm. Mal versorgt ihn eine Kollegin ganz ungefragt mit Kaffee, mal bringt ihm ein Schüler eine der selbst gebackenen „Pausenwaffeln“ vorbei. „Und dann gibt es tatsächlich Schüler:innen, die von sich aus zu mir kommen und Unterricht bei mir einfordern; das ist ein schönes Gefühl der Rückbestätigung“, freut sich Martin Bock.
Herzlichen Dank für das Engagement, Martin Bock!
IW- Mai 2023