Im Frühling, wenn die Tage wärmer werden und die Sonne zuverlässiger scheint, setzt sich Uta Friedrich regelmäßig auf ihr Fahrrad und steuert den Pankower Bürgerpark an. Ihr Ziel ist die im Park gelegene Bücherei, in der sie einmal pro Woche ehrenamtlich arbeitet und den Parkbesucher:innen besondere Lesestunden ermöglicht. Seit 1955 existiert die Parkbücherei mit Unterbrechungen. Seitdem sie im Jahr 2019 wiedereröffnet wurde, ist sie ein wichtiger Pankower Ort, an dem der Austausch und das Lesen im Grünen möglich sind und zu dem auch Uta Friedrich gerne beiträgt. Von Dienstag bis Sonntag ermöglicht jeweils ein kleines Team Ehrenamtlicher den Betrieb und sorgt dafür, dass nicht nur das passende Buch, sondern auch Liegestühle für den Lesenachmittag ausgeliehen werden können.
Ehrenamtlich engagiert war Uta Friedrich allerdings schon lange bevor sie nach Pankow kam. Als ,Grüne Dame‘ unterstützte sie zehn Jahre lang in einem, wie sie selbst sagt, „kleidsamen Grünen Kittel“ Patient:innen in einer Lungenklinik. Sie hörte zu, las vor oder begleitete die schwer erkrankten Menschen, die häufig bereits auf den Rollstuhl angewiesenen waren, in den Klinikgarten. „Die Zeit in der Klinik hat mir einen neuen Blick auf Schwerkranke gegeben“, erzählt sie und berichtet ergriffen von Situationen, in denen Erkrankte in ihrem Beisein Frieden mit dem nahenden Tod geschlossen haben. Als Mitte der 1990er Jahre viele Menschen vor den Kriegen aus dem ehemaligen Jugoslawien flüchteten, engagierte sie sich ebenfalls und unterstützte in ihrem damaligen Wohnort, dem Bayerischen Krailling, als Sprachlehrerin die Gemeinde bei der Durchführung von Sprachkursen. Sie selbst wuchs umgeben von Büchern und mit vielen Möglichkeiten auf – eine privilegierte Situation, wie Uta Friedrich glaubt. „Ich dachte immer, dass ich das auch zurückgeben muss“, reflektiert sie und findet darin ein Motiv, das sie bei ihren ehrenamtlichen Tätigkeiten stetig begleitet hat.
Als Uta Friedrich im Sommer 2019 von Bayern nach Berlin zog, war ihr also klar, dass sie sich auch hier in ihrer neuen Lebensumgebung engagieren möchte. Dass ihre Wahl im Sommer 2021, als die pandemische Lage dies wieder zuließ, ausgerechnet auf die Parkbücherei fiel, liegt nahe, denn die pensionierte Lehrerin für Deutsch und Französisch ist selbst sehr lesebegeistert. „Lesen bedeutet für mich, sich in ein anderes Universum reinfallen zu lassen“, berichtet sie. Dies ermöglicht sie nun auch anderen Menschen – noch dazu an einem besonders schönen Ort, den Uta Friedrich sehr genießt. „Pankow und seine Parks, das ist unglaublich“, stellt sie begeistert fest, „man weiß gar nicht, wo man zuerst hingehen soll“.
Für die pensionierte Lehrerin ist die Parkbücherei aber nicht nur ein Ort des Lesens in idyllischer Atmosphäre, sondern auch ein Ort, an dem Begegnungen und Gespräche zwischen (gebürtigen) Pankower:innen und Zugezogenen möglich und nötig sind. Trotz der mittlerweile länger zurückliegenden innerdeutschen Maueröffnung hat sie den Eindruck gewonnen, dass es nach wie vor Bedarf an einem offenen Austausch von Erfahrungen gibt zwischen denjenigen, die im ehemaligen Westen und denjenigen, die im ehemaligen Osten Deutschlands aufgewachsen sind. Dafür sei viel Zuhören und manchmal mehr ehrliches Interesse auf beiden Seiten nötig, wie ihr manche Gespräche gezeigt haben. Sie selbst lernt bei diesen Begegnungen immer weiter dazu. „Der Erfahrungsschatz wird einfach größer und mit meinen fast 85 Jahren ist er inzwischen ganz schön groß“, hält sie lachend fest. Für die Parkbücherei wünscht sie sich, dass noch mehr Menschen kommen, verweilen und sich interessieren. „Ich denke es ist ein super Angebot“, sagt Uta Friedrich mit sichtbarer Vorfreude auf den nächsten Parkbücherei-Sommer in ihrem Gesicht.
Herzlichen Dank für das Engagement, Uta Friedrich!
I.W.